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Zahnmedizin der Zukunft: Stammzellen lassen die Dritten einfach nachwachsen

Obwohl es jedes Kind weiß: Damit Karius und Baktus keine Chance haben, sollte man die Zähne möglichst nach jeder Mahlzeit putzen. Doch nicht immer lässt sich verhindern, dass Karies und Parodontose im Laufe des Lebens entstehen und Zähne deshalb manchmal sogar gezogen werden müssen.

Wissenschaftler arbeiten aber bereits daran, dass dieses irgendwann der Vergangenheit angehören wird und den Patienten nicht länger eine Füllung, ein Implantat, eine Krone oder eine Prothese angepasst werden muss, sondern die „Dritten“ einfach natürlich nachwachsen. Anlässlich des Tages der Zahngesundheit am 25. September möchte Vita 34 einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand auf dem Gebiet der Zahn- und Kieferrekonstruktion mittels Stammzellen geben.

 

Hai und Alligator – die Natur als Vorbild für die nachwachsenden Dritten

Alligatoren „gönnen“ sich jedes Jahr ein neues Gebiss und wechseln so circa 50 Mal im Leben ihre Zähne komplett aus. Bei etwa 80 Zähnen, die die Reptilien im Maul haben, bilden sich im Laufe der Jahre mehr als 2.000 bis 3.000 neue Zähne. Erstaunlich!

Beim Menschen gibt es nur einen Zahnwechsel: Im Alter von sechs bis zwölf Jahren fallen die Milchzähne einer nach dem anderen aus. Es rücken die bleibenden Zähne nach. Sind diese irgendwann stark von Karies oder Parodontose befallen, gibt es keinen weiteren körpereigenen Ersatz. Allerdings besitzt auch der Homo sapiens schlummernde Stammzellen, die das Potenzial haben, neue Zähne nachwachsen zu lassen.

 

Komplett neue Zähne mithilfe von Stammzellen

An der Universität von Tokio wagte man sich nach der Grundlagenforschung bereits an den nächsten Schritt und züchtete voll funktionsfähige Zähne. Das japanische Forscherteam brachte Stammzellen dazu, sich zu sogenannten Zahnkeimen zu entwickeln, die Mäusen in den Kiefer eingepflanzt wurden. Im Schnitt dauerte es 37 Tage, bis sich ein neuer Zahn durch das Zahnfleisch schob. Nach 49 Tagen hatte der neue Zahn Kontakt zu den unteren Zähnen, war also ausgewachsen. Dieses  gelang bei der Hälfte aller Versuche. Obwohl sich der neue Zahn optisch von den anderen Zähnen unterschied, war er voll funktionsfähig und belastbar, denn er besaß alle anatomischen Details. Der Wermutstropfen dabei war jedoch, dass die Forscher für ihre Versuche mit den ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellen arbeiten mussten.

 

Langfristiges Ziel sind fest eingewachsene Zahnimplantate

Auf adulte Stammzellen zur Erneuerung von Zahnmaterial setzten dagegen die Forscher der Columbia University in New York (USA). Verloren Patienten einen Zahn, formten die Forscher auf Grundlage eines Abdrucks des alten Zahnes oder von Aufnahmen, die mithilfe eines Computertomografen gemacht wurden, ein Modell aus abbaubaren Polymeren. Dieses wurde den Patienten in den Kiefer implantiert sowie mit Wachstumsfaktoren stimuliert und lockte so adulte Stammzellen aus der Umgebung des kaputten Zahns an. Sie wuchsen an der Polymer-Struktur fest und führten im Ergebnis zu einem fest eingewachsenen neuen Zahn.

 

Stammzellen aus der Kieferknochenhaut können einen Ersatz bilden

Auch in Deutschland ist man auf dem Gebiet des Zahnersatzes mithilfe von Stammzellen nicht untätig. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKGC) und der Sektion Medizinische Werkstoffkunde und Technologie (MWT) des Universitätsklinikums Tübingen arbeiten Forscher an Implantaten als Knochenersatz im Kieferbereich. Auch hier sollen die Stammzellen zum Einsatz kommen. Als besonders geeignet entpuppten sich dabei die Stammzellen aus der Kieferknochenhaut, denn sie behalten ihr knochenbildendes Potenzial. Auf dieser Basis wollen die Forscher nun Knochenersatzmaterialien mit biologisch aktiven Molekülen herstellen und so sicherstellen, dass sich die Stammzellen besser ansiedeln und anschließend zu einem Zahn entwickeln können.

 

Kombination von Stammzellen und 3-D-Druckern

Und auch an der Universität von Michigan (USA) setzt man auf die Kieferrekonstruktion mit Hilfe von Stammzellen. Einen Patienten, der aufgrund eines Unfalls zahlreiche Zähne sowie 75 Prozent des Kieferknochens verlor, behandelten die Ärzte mit Stammzellen, Wachstumsfaktoren sowie Trikalziumphosphat. Nach nur vier Monaten hatte der Körper des Patienten den Kieferraum zu circa 80 Prozent wieder mit biologisch intaktem Knochenmaterial aufgefüllt. Dadurch konnten die Mediziner problemlos Implantate einsetzen und so die Lebensqualität des Patienten enorm steigern.

Trikalziumphosphat wird übrigens auch bei 3-D-Druckern zur Modellierung eingesetzt. In Zukunft könnten so maßgefertigte Strukturen hergestellt werden, die beispielsweise eine ideale Matrix für die Besiedlung mit Stammzellen darstellen.

 

Zähneputzen bleibt vorerst  die einzige Alternative

Allerdings sind viele der vorgestellten Forschungsarbeiten heute noch Zukunftsmusik, denn die Ergebnisse konnten bislang nur unter bestimmten Bedingungen im Labor erzielt werden. Es lohnt sich also weiterhin, morgens und abends vor dem Spiegel zu stehen und ordentlich Zähne zu putzen – zumindest solange bis sich die Stammzelltherapie als Standardtherapie durchgesetzt haben wird.