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Mutige Hilfe für Patienten mit Hirninfarkt

Erinnern Sie sich noch wie es so war - mit 15, 16 oder 17 Jahren? Die erste große Liebe. Das erste Mal heimlich zur Disco. Zum ersten Mal mit Freunden in den Urlaub. Die Meisten von uns werden diese Zeit mit etwas Aufregendem, etwas Neuem verbinden. Einige verbinden sie vielleicht mit Unsicherheit, Manche mit Schwermut. Ein 16-Jähriger aus Istanbul wird diese Zeit mit dem Kampf um das eigene Leben verbinden.

Er erlitt ohne jegliche Vorerkrankung einen Herzstillstand. Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung konnten ihn nach 45 Minuten wiederbeleben. Die Versorgung seines Gehirns mit Sauerstoff reichte aber in dieser Zeit nicht aus und der Junge erlittzusätzlich einen Hirninfarkt. Mediziner sprechen in einem solchen Fall von einer „hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie“ – der Schädigung des Gehirns aufgrund fehlender Durchblutung und Sauerstoffmangel.

Ein qualvoller Weg

Die übliche Behandlung besteht in einer unterstützenden Versorgung des Patienten. Diese stabilisiert zwar den Kreislauf, verhindert aber nicht die fortschreitende Schädigung des Gehirns in den ersten Stunden unmittelbar nach dem Ereignis. So war es auch bei dem 16-jährigen. 4 Tage nach der Wiederbelebung hatte der Infarkt starke Schädigungen in verschiedenen Hirn-Regionen verursacht. Betroffen waren vor allem die Regionen die für das Sehen, die Motorik, das Körpergefühl und komplexe Handlungen verantwortlich sind. Die Schädigungen verursachten auch, dass der Junge insgesamt 45 Tage im Koma lag. Nach dem Erwachen musste er auf der Intensivstation behandelt werden. Seine Arme und Beine waren durch starke, unkontrollierte Muskelanspannung gelähmt. Körperliche Reflexe, wie die Reaktion seiner Augen auf eine Lichtquelle, waren zwar vorhanden, aber er war kaum ansprechbar und nur beschränkt fähig, auf seine Umwelt zu reagieren. Zudem musste er künstlich beatmet und über eine Magensonde ernährt werden. Mehrere Versuche eine selbstständige Atmung anzuregen, scheiterten.

Um die Prognose ihres jungen Patienten zu verbessern, entschiedenen sich die Ärzte zu einem außergewöhnlichen Schritt: Sie bereiteten ihn für eine Stammzell-Transplantation vor.

Ein mutiger Schritt

Um die Prognose ihres jungen Patienten zu verbessern, entschiedenen sich die Ärzte zu einem außergewöhnlichen Schritt: Sie bereiteten ihn für eine Stammzell-Transplantation vor. Verwendet werden sollten sogenannte „mesenchymale Stammzellen“ (MSCs) aus dem Gewebe von Nabelschnüren. Diese Zellen haben unter anderem die Fähigkeit sich unter bestimmten Bedingungen in Nervenzellen zu entwickeln. Die Anwendung der MSCs bei Hirnschäden wurde in der Forschung bereits untersucht. Bis dato waren aber Patienten, wie der 16-Jährige, noch nie behandelt worden. Erste klinische Studien bei ähnlichen Hirnschäden hatten aber gezeigt, dass durch Transplantation von MSCs die Bewegungsfähigkeit und Denkleistung von Patienten verbessert werden kann. Die Ärzte entschieden sich, dem Jungen die MSCs auf drei parallelen Wegen zu verabreichen: in die Muskeln (intramuskulär), über die Arm-Vene ins Blut (intravenös) und in die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (intrathekal) – jeweils 2 Mal pro Monat über insgesamt 2 Monate. Für einen maximalen Behandlungserfolg wurde er zusätzlich durch eine intensive Physiotherapie begleitet.

Auf dem Weg der Besserung

Nach Transplantation der MSCs und unterstützt durch die Rehabilitation verbesserte sich der Zustand des Jungen deutlich. Bereits nach einem Monat steigerte sich die Bewegungsfähigkeit seiner Arme und seines Rumpfes. Er konnte mit Gehilfen kurze Wege laufen, selbstständig essen und wieder alleine ein T-Shirt anziehen. Auch seine geistigen Fähigkeiten verbesserten sich. Innerhalb der folgenden 3 Monate verbesserte sich der Zustand des Jungen so sehr, dass er sich wieder allein anziehen, selbstständig essen und ohne Unterstützung zur Toilette gehen konnte. Seine Handfunktion war soweit hergestellt, dass er beide Hände normal benutzen und wieder schreiben konnte. Untersuchungen seines Gehirns ließen bereits keine Anzeichen der Schädigung mehr erkennen. Innerhalb eines Jahres nach dem Auftreten der Hirnschädigung war der 16-Jährige vollständig wiederhergestellt.

Eine neue Richtung

Aufgrund des Behandlungserfolgs wurde der Fall des Jungen in einem medizinischen Fachjournal publiziert. In dem Fachartikel heben die Autoren die Bedeutung von MSCs aus dem Gewebe von Nabelschnüren für die Behandlung von Hirnschäden hervor. Sie betonen auch, dass die Anwendung der Zellen entsprechend unbedenklich ist. Die Autoren machen aber auch deutlich, dass der erfolgreichen Behandlung des 16-Jährigen Jungen eine größere klinische Studie folgen sollte. In dieser kann die Wirksamkeit der Stammzellen bei Hirnschäden wissenschaftlich nachgewiesen werden.