Schwangerschaft & Baby

Der „Schatz aus der Nabelschnur“ und sein gewaltiges Potenzial

Die bislang mehr als 35.000 Transplantationen von Nabelschnurblut weltweit unterstreichen das eindrucksvoll. Nabelschnurblut-Präparate kommen bei rund 80 verschiedene Erkrankungen zum Einsatz.

Neonatale Stammzellen: Forschungsstand und Forschungsausblick

Adulte Stammzellen kommen bei der Behandlung von bestimmten Krankheiten seit mehr als fünf Jahrzehnten standardmäßig zum Einsatz. Die erste Knochenmarktransplantation fand bereits 1957 in Seattle statt. Damals wagte der Mediziner Edward Donnall Thomas das Experiment bei einem Leukämie-Patienten. Mehr als 30 Jahre später kam es 1988 es zu einem weiteren großen Meilenstein in der Stammzellenforschung: Erstmals nutzte die französische Ärztin Eliane Gluckmann Nabelschnurblut, um mit dessen Hilfe einen kleinen Patienten mit Fanconi-Anämie zu behandeln. Neonatale Stammzellen bilden somit ein noch relativ junges Forschungsfeld. Bei vielen medizinischen Indikationen gehört die Behandlung mit Stammzellen aus der Nabelschnur heute schon zur Standardtherapie, andere Anwendungsmöglichkeiten stecken noch mitten in der Erprobungsphase.

 

Nabelschnurblut einlagern

 

Längst etabliert: Nabelschnur-Stammzelltherapie bei Blutbildungsstörungen

Bei dem medizinischen Ersteinsatz der Nabelschnurblut-Stammzellen nutzte Eliane Gluckmann 1988 übrigens das Nabelschnurblut der gesunden Schwester, um dem erkrankten Jungen zu helfen. Genau wie bei Arne und Jan Hömme halfen die injizierten neonatalen Stammzellen des Geschwisterkindes, den kleinen Patienten zu heilen und ermöglichten ihm so ein relativ normales Leben mit einer guten Prognose. Seither sind Nabelschnur-Stammzellen als Therapieoption aus der Medizin nicht mehr wegzudenken. Die bislang mehr als 35.000 Transplantationen von Nabelschnurblut weltweit unterstreichen das eindrucksvoll. Nabelschnurblut-Präparate kommen bei rund 80 verschiedene Erkrankungen zum Einsatz. Große Erfolge erzielen Ärzte mit neonatalen Stammzelltransplantationen bereits bei der Behandlung von Blutbildungsstörungen, Krebserkrankungen und Immundefekten.

Nabelschnurblut: wichtigste Quelle zur Leukämie-Behandlung bei Kindern

In der Behandlung von Leukämie bei Kindern ist das Nabelschnurblut inzwischen die wichtigste Quelle zur Stammzellengewinnung und hat damit dem Knochenmark den Rang abgelaufen. Dafür gibt es zahlreiche gute Gründe: Neonatale Stammzellen sind auf Vorrat eingefroren und stehen daher schnell bereit. Außerdem punkten sie mit ihrer Vitalität und Flexibilität, denn die Nabelschnur-Stammzellen sind jung und von Krankheiten sowie Umwelteinflüssen noch weitgehend unbelastet. Dank ihrer Teilungsfreudigkeit können sie sich schnell an den neuen Organismus anpassen und werden seltener vom Immunsystem attackiert. Stammzellen aus der Nabelschnur senken also die Gefahr einer Abstoßungsreaktion bei einer Fremdspende (allogene Spende) signifikant und verringern das Risiko für weitere Komplikationen wie die Graft-versus-Host-Reaktion (GvHD). Zahlreiche Studien belegen, dass transplantierte Stammzellen aus der Nabelschnur tatsächlich vom Empfänger besser vertragen werden als adulte Stammzellen aus dem peripheren Blut oder dem Knochenmark. Bei Geschwistern ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Nabelschnur-Stammzellenspende zum Erfolg führt, besonders hoch.

Die bislang mehr als 40.000 Transplantationen von Nabelschnurblut weltweit unterstreichen das Potenzial von Stammzellen aus der Nabelschnur eindrucksvoll.

Erfolgreicher Kampf gegen Anämien, Krebsleiden und Immundefekte

Die einzigartigen Eigenschaften neonataler Stammzellen machen sich Ärzte auch bei der Behandlung anderer Blutbildungsstörungen seit einigen Jahren zunutze. So werden Krankheiten wie Aplastische Anämie und Thalassämie ebenfalls erfolgreich mit Nabelschnurblut therapiert. Auch bei Krebspatienten, die an Myelomen, Lymphomen oder Blastomen erkranken, kommen Nabelschnur-Stammzellen immer häufiger als „Retter“ zum Einsatz. Hier kann es passieren, dass die aggressive Chemotherapie und Bestrahlung die Blutbildung schwer schädigt. Die Stammzellen sollen helfen, die daraus resultierenden körperlichen Beschwerden einzudämmen und somit die Rekonvaleszenz zu beschleunigen.

Immundefekte wie das Whiskott-Aldrich-Syndrom oder SCID (Severe Combined Immunodeficiency, also schwerer kombinierter Immundefekt) lassen sich durch eine Stammzellentransplantation zumindest mildern und im Idealfall sogar gänzlich heilen. Ein weiteres Anwendungsfeld für neonatale Stammzellen ist die Cerebralparese (frühkindliche Hirnschädigung). Südkoreanische Forscher erzielten auf diesem Gebiet im Jahr 2013 erste Erfolge. Bei den mit Nabelschnurblut behandelten Kindern verbesserten sich sowohl motorische als auch geistige Fähigkeiten.

Durch ihre natürliche Gabe, kaputte Zellen zu reparieren und die Neubildung gesunder Zellen anzuregen, ist das Anwendungsspektrum für Nabelschnur-Stammzellen sehr groß. Der Nutzung von Nabelschnurblut sind jedoch gewisse natürliche Grenzen gesetzt. Denn eine Nabelschnur enthält vergleichsweise wenig Blut – zwischen 60 und 200 Milliliter. Diese kleine Menge reicht für die Stammzelltransplantation bei einem erwachsenen Menschen oftmals nicht aus, so dass in solchen Fällen zwei oder drei passende Spendertransplantate miteinander kombiniert werden müssen. Für Kinder und leichtgewichtige Personen bis 50 Kilogramm ist ein Spender hingegen ausreichend. Neue Ansätze, bei denen die Stammzellen im Labor zunächst um ein Vielfaches vermehrt werden, sollen helfen, die Anzahl der benötigten Spenden zu reduzieren und den Kreis der möglichen Empfänger stark zu erweitern.

 

Nabelschnurblut einlagern

 

Mesenchymale Stammzellen – Universalgenies in der Regenerativen Medizin

Im Nabelschnurblut sind überdurchschnittlich viele hämatopoetische Stammzellen enthalten, die für die Blutbildung zuständig sind. Doch auch das Nabelschnurgewebe ist medizinisch wertvoll, denn es enthält eine besonders große Anzahl an mesenchymalen Stammzellen. Diese sind im Körper für die Neubildung und Reparatur von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Muskeln, aber auch organischem Gewebe zuständig. Diese Eigenschaften macht sich die Regenerative Medizin zunutze. Bereits in den 1980er Jahren griffen Ärzte bei der Behandlung schwerer Verbrennungen auf mesenchymale Stammzellen zurück. Sie bildeten mit ihrer Hilfe Hautpartien nach und verhalfen betroffenen Patienten wieder zu deutlich mehr Lebensqualität. Auch Gelenkerkrankungen wie Arthrose oder Rheuma gelten als klassische Anwendungsfelder für mesenchymale Stammzellen. So konnten schon Knorpelschäden im Knie mithilfe von Nabelschnurgewebe-Stammzellen erfolgreich behandelt werden. Ein weiteres Ziel der Wissenschaft ist die Regeneration defekter Bandscheiben. Aktuell laufen mehr als 500 klinische Studien weltweit, welche das Einsatzpotenzial von mesenchymalen Stammzellen untersuchen.

Die Zukunft hat schon begonnen: Studien mit T-Zellen und „Tissue Engineering“

Während Nabelschnur-Stammzellen bei vielen Krankheiten bereits standardmäßig als Therapeutikum zum Einsatz kommen, stecken sie andernorts noch mitten in der Erprobung. Ein fortgeschrittenes mögliches Anwendungsfeld betrifft Autoimmunerkrankungen wie zum Beispiel Multiple Sklerose, Hashimoto-Thyreoiditis oder den frühkindlichen Diabetes mellitus Typ 1. Bei der „Zuckerkrankheit“ hemmt das eigene Immunsystem die Insulinproduktion, indem es die dafür verantwortlichen Betazellen angreift und zerstört. Die Folge ist, dass der Körper aufgrund des eintretenden Insulinmangels den Blutzuckerspiegel nicht mehr richtig regulieren kann. Regulatorische T-Zellen aus dem Nabelschnurblut sind jedoch in der Lage, hier moderierend einzugreifen. Das zeigte eine von Vita 34 begleitete Studie an der Technischen Universität München. So vermag das Zusammenspiel von Stammzellen aus dem Nabelschnurblut und den ebenfalls darin enthaltenen regulatorischen T-Zellen, die Insulinproduktion länger aufrechtzuerhalten, sodass die betroffenen Kinder weniger künstliches Insulin benötigen. So sind sie zumindest vor den Gefahren einer schweren Unter- oder Überzuckerung besser geschützt. Mit den beobachteten Ergebnissen waren die Forscher zufrieden, wobei die behandelten Kinder dennoch ihr Leben lang auf eine Insulinersatztherapie angewiesen sein werden.

Auch die Nutzung von Stammzellen aus dem Nabelschnurgewebe ist ein Forschungsfeld, dessen Bedeutung stetig zunimmt. Eine wichtige Rolle spielt das „Tissue Engineering“. Dabei züchten Forscher im Labor mithilfe von Nabelschnur-Stammzellen organisches Gewebe, aus dem so genannte Organoide entstehen. Diese ähneln menschlichen Organen im frühen Embryonalstadium. Organoide dienen im Moment der Erprobung von neu entwickelten Medikamenten. Langfristiges Ziel ist es jedoch, mithilfe des „Tissue Engineering“ ganze Organe aus neonatalen Stammzellen wachsen zu lassen. Das wäre für die Transplantationsmedizin in Zukunft eine Riesenchance. Lange, zermürbende Wartezeiten auf ein Spenderorgan wären damit hinfällig.

Wunderwaffe gegen Degeneration: iPS-Zellen kehren Teilungsprozesse um

Ein weiterer Forschungsgegenstand, der vor allem in Japan und den USA schon große Fortschritte erzielen konnte, ist die Nutzung induzierter pluripotenter Stammzellen (iPS). Dabei handelt es sich um adulte Stammzellen des Patienten, die meist einfach per Biopsie aus der Haut entnommen werden. In der Petrischale lassen sich die bereits ausdifferenzierten Zellen zu Stammzellen mit beinahe embryonalen Eigenschaften zurückverwandeln. Wissenschaftler können die so reprogrammierten Stammzellen im nächsten Schritt dazu veranlassen, sich in ganz unterschiedliches Gewebe weiterzuentwickeln. Von der Herzzelle bis zur Nervenzelle sind viele Anwendungsgebiete möglich. Diese bahnbrechende Entdeckung machte der Japaner Shin’ya Yamanaka im Jahr 2006 und bekam dafür 2012 sogar den Nobelpreis. iPS-Zellen werden seither rege erforscht, beispielsweise für die mögliche Behandlung von Parkinson oder anderer degenerativer Erkrankungen wie Demenz, ALS oder der Makuladegeneration (altersbedingte Erblindung). Mit solchen Stammzellen ließen sich möglicherweise auch Schlaganfall, Herzinfarkt, Autismus oder Haarausfall bereits in naher Zukunft gut behandeln. Das Nabelschnurblut könnte für entsprechende Therapien im Rahmen der individualisierten Zelltherapien ein hervorragendes „Ausgangsmaterial“ sein. Es lässt sich einerseits einfach und schmerzfrei gewinnen und noch dazu auf Vorrat einfrieren. Andererseits sind die eingefrorenen Zellen noch besonders jung und vital. Das gilt nicht nur für die Stammzellen, sondern für alle enthaltenen adulten Zellen.

Ebenfalls in der klinischen Erprobung befinden sich mesenchymale Stammzellen, die aus dem Fettgewebe Erwachsener entnommen werden. Bei sogenannten autologen Stammzellspenden sind Spender und Empfänger identisch. In der Schönheits- und Unfallchirurgie hat sich die Unterspritzung mit Eigenfett zur Gewebeaufpolsterung und -rekonstruktion schon lange etabliert. Doch auch Krankheiten wie Osteoarthritis, Morbus Crohn und Herzschwäche könnten mithilfe von Stammzellen aus dem Fettgewebe vielleicht bald besser therapiert werden. Dabei machen sich die Mediziner die Vorzüge adulter Stammzelle, die im Fettgewebe eingelagert sind, zunutze: Sie sind so wandlungsfähig, dass sie sich in andere Gewebezellen ausdifferenzieren können. Zudem unterstützen sie Heilungsprozesse im Körper und wirken positiv auf das Immunsystem ein.

Klinische Forschungsprojekte mit Vita 34

Vita 34 ist der Experte für die Entnahme und Krykonservierung von Nabelschnurblut und Nabelschnurgewebe. Eingefroren in Spezialtanks über -180 °C kaltem Stickstoff bewahren die neonatalen Stammzellen aus der Nabelschnur ihre besonderen Eigenschaften über viele Jahrzehnte. Doch nur mit der sorgfältigen Einlagerung von Stammzellen geben wir uns als Unternehmen nicht zufrieden. Seit der Unternehmensgründung engagiert sich Vita 34 deshalb sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der Anwendungsforschung, denn wir wollen die Stammzellentherapie und mit ihr die Medizin der Zukunft weiter voranbringen. Deshalb kooperiert Vita 34 mit renommierten Universitäten und namhaften Forschungseinrichtungen, um das Potenzial neonataler Stammzellen weiter zu erproben.

An folgenden Forschungskooperationen mit Nabelschnur-Stammzellen war Vita 34 bereits beteiligt:

  • eine klinische Studie der Technischen Universität München zur Behandlung von Typ-1-Diabetes mit körpereigenen Stammzellen aus Nabelschnurblut
  • Stammzelltherapie nach Herzinfarkt, bei der die Durchblutung und Pumpleistung des Herzmuskels verbessert werden konnten – in Kooperation mit der Universität Rostock
  • Stammzelltherapie nach Schlaganfall, um Lähmung und Bewegungsstörungen zu vermindern – in Kooperation mit der Universität Leipzig und dem Fraunhofer Institut IZI
  • Studie mit der Universität Zürich zur Züchtung funktionierender biologischer Herzklappen aus Nabelschnurblut-Stammzellen
  • Stammzelltherapie bei Herzfehlbildungen in Zusammenarbeit mit der Universität Rostock
  • Rückprogrammierung von Nabelschnurblutzellen in iPS-Zellen – in Kooperation mit der Medizinischen Hochschule Hannover
  • Studie zur Wirksamkeit mesenchymaler Nabelschnur-Stammzellen in der Leukämiebehandlung, mit dem Ziel, lebensbedrohliche Immunreaktionen (Graft-versus-Host-Erkrankung) zu unterdrücken – in Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig
  • Forschungsprojekt mit der Berliner Charité zur Behandlung frühkindlicher Hirnschädigung mit Nabelschnurblut-Stammzellen

Experten gehen davon aus, dass künftig jeder siebte Mensch bis zum Alter von 70 Jahren eine Stammzelltherapie benötigen wird. Durch den demografischen Wandel nehmen klassische Alterskrankheiten immer mehr zu. Neue Therapieformen werden alte ergänzen oder ganz ablösen. Neonatale Stammzellen haben jetzt schon einen festen Platz bei der Behandlung zahlreicher Erkrankungen. Mit fortschreitender Erforschung wird ihr Einsatzspektrum ganz sicher noch weiter zunehmen.