Gesundheit

Was ist Aplastische Anämie

Bei der Aplastischen Anämie handelt es sich um eine Blutbildungsstörung und Sonderform der Anämie (Blutarmut), bei der die Zellproduktion im Knochenmark nicht mehr richtig funktioniert oder im schlimmsten Fall sogar vollständig zum Erliegen kommt.

Während eine Anämie an sich lediglich eine Verminderung der Hämoglobinkonzentration in den Erythrozyten (rote Blutkörperchen) oder deren Anzahl darstellt, sind bei einer Aplastischen Anämie alle Blutbestandteile betroffen. Mediziner sprechen in diesem Zusammenhang auch von einer Panzytopenie. Neben den Erythrozyten ist hier ebenfalls die Anzahl an Leukozyten (weiße Blutkörperchen) und Thrombozyten (Blutplättchen) verringert. Somit sind sowohl der Sauerstofftransport im Blut, das Immunsystem, als auch die Blutgerinnung eingeschränkt. In der medizinischen Fachliteratur wird die Aplastische Anämie auch als „Aplastisches Syndrom“, „Panmyelopathie“ oder „Panmyelophthise“ bezeichnet. Die Krankheit ist enorm selten. Von 1.000.000 Personen erhalten nur zwei bis drei Menschen im Jahr die Diagnose „Aplastische Anämie“. Bei diesem Krankheitsbild bestehen zudem zwei Altersgipfel. So manifestiert sich das Aplastische Syndrom am häufigsten zwischen dem 10. und 25. Lebensjahr und anschließend erst wieder vermehrt ab einem Alter von 60 Jahren.

Mediziner unterteilen die Krankheit in drei verschiedene Schweregrade:

  • Nicht Schwere Aplastische Anämie (NSAA)
  • Schwere Aplastische Anämie (SAA)
  • Sehr Schwere Aplastische Anämie (SSAA)

Die Kategorisierung richtet sich hierbei nach dem Blutbild des Patienten beziehungsweise der nachgewiesenen Konzentration der einzelnen Blutbestandteile. Hauptsächlich berücksichtigt werden hier die Granulozyten (die am häufigsten auftretenden weißen Blutkörperchen), die Thrombozyten, und die Retikulozyten. Bei Letzteren handelt es sich um noch nicht voll entwickelte rote Blutkörperchen.

Bei einer allogenen hämatopoetischen Stammzellentransplantation wird das blutbildende System des Erkrankten quasi einmal komplett „resettet“ und anschließend neu gestartet. Dies erfolgt durch die Gabe gesunder Stammzellen eines Spenders mit identischen HLA-Merkmalen (Humane Leukozyten-Antigene).

Die Ursachen einer Aplastischen Anämie

Eine Aplastische Anämie entsteht aufgrund einer Knochenmarkaplasie. Diese kann entweder angeboren oder erworben sein. Eine angeborene Aplastische Anämie tritt weitaus seltener auf als eine erworbene. Hierzu zählen zum Beispiel die Fanconi-Anämie oder das Diamond-Blackfan-Syndrom. In den meisten Fällen hat eine Aplastische Anämie ihren Ursprung jedoch nicht in der Vererbung, sondern die Krankheit wird von äußeren Einflüssen induziert. Diese sind jedoch noch nicht endgültig geklärt. In etwa 70 Prozent aller Erkrankungen ist die Ursache idiopathisch, also vollkommen unbekannt. Hier nehmen Experten allerdings an, dass das eigene Immunsystem das blutbildende System angreift. Eine Idiopathische Aplastische Anämie gehört damit zu den Autoimmunerkrankungen, ähnlich wie etwa Lupus erythematodes, Multiple Sklerose oder Diabetes mellitus Typ 1. Doch auch bislang unbekannte Viren vermuten Mediziner als Auslöser bei der idiopathischen Form der Krankheit.

In einigen Krankheitsfällen gelang es jedoch, die Ursache einer Aplastischen Anämie zu bestimmen beziehungsweise nachzuweisen. Etwa zehn Prozent entfallen auf Medikamente, hier zuvorderst nicht-steroide Antirheumatika. Weitere zehn Prozent gehen auf das Konto von Toxinen, zum Beispiel Benzol oder Pentachlorphenol (PCP). Auch bestimmte Viren wie das Epstein-Barr-Virus oder das Parvovirus B19, der Verursacher von Ringelröteln, können eine Aplastische Anämie auslösen. In seltenen Fällen schädigt ionisierende Strahlung beispielsweise im Rahmen der Bestrahlung während einer Krebstherapie das Knochenmark so stark, dass sich die Krankheit entwickelt.

Da es jedoch bei vielen Patienten, die einen oder sogar mehrere der oben genannten Faktoren aufweisen, nicht zum Ausbruch einer Aplastischen Anämie kommt, vermuten Ärzte weiterhin eine zugrundeliegende genetische Veranlagung, die die Krankheit letztendlich katalysiert.

Die Symptome einer Aplastischen Anämie

Durch die unzureichende oder sogar völlig aussetzende Produktion der einzelnen Blutbestandteile kommt es bei einer Aplastischen Anämie zu verschiedenen Symptomen. Der Mangel an roten Blutkörperchen (Anämie) bewirkt eine Blässe der Haut. Der verminderte Sauerstofftransport hingegen führt zu Müdigkeit und Entkräftung. Auch Kopfschmerzen und Übelkeit können auftreten. Die Schwächung des Immunsystems durch fehlende Leukozyten (Leukopenie) bedingt eine höhere Infektanfälligkeit. Betroffene erkranken folglich häufiger und stärker an anderen Krankheiten. Der Mangel an Thrombozyten (Thrombozytopenie) hingegen bewirkt, dass die Blutgerinnung nicht mehr richtig funktioniert. Selbst kleinere Wunden verheilen enorm langsam oder gar nicht. Bei besonders niedrigen Thrombozyten-Werten kann es auch zu Spontanblutungen wie Nasenbluten oder Hämatomen, also inneren Blutungen, kommen.

Diese Therapieoptionen bestehen bei einer Aplastischen Anämie

Die Art der Therapie richtet sich sowohl nach der Schwere der Krankheit, als auch nach dem Vorhandensein eines geeigneten Stammzellenspenders. Bei einer Nicht Schweren Aplastischen Anämie ist noch keine Therapie vonnöten, da sie die Erkrankten in der Regel nicht einschränkt und ihnen eine normale Lebenserwartung ermöglicht. Dennoch muss die Krankheit engmaschig beobachtet werden, für den Fall, dass sich ihr Verlauf verschlechtert. Eine Schwere Aplastische Anämie erfordert jedoch eine umgehende Behandlung, da sie ansonsten tödlich endet. Die Therapie von SAA und SSAA verläuft identisch.

Um die Symptome und damit die gesundheitlichen Risiken von Patienten abzumildern, wird begleitend zu allen Therapiemaßnahmen zunächst immer eine Supportivtherapie, also eine unterstützende Therapie, eingeleitet. Im Vordergrund steht hier die Transfusion von Blutbestandteilen, da diese durch die Knochenmarkaplasie im Organismus des Patienten nur unzureichend gebildet werden. Einem Mangel an roten Blutkörperchen wirkt man mit Erythrozytentransfusionen entgegen. Hierbei werden gezielt rote Blutzellen zugeführt und so die Hämoglobinwerte auf Normalniveau gehalten, um den Sauerstofftransport über das Blut sicherzustellen. Da Hämoglobin jedoch extrem eisenhaltig ist, kommt es bei langwieriger Behandlung zu Eisenablagerungen im Körper, vor allem in den Organen. Dort können sie zu schweren Schäden führen, die weitere gesundheitliche Probleme nach sich ziehen würden. Daher muss regelmäßig eine Eisenentzugstherapie erfolgen. Auch diese belastet neben der eigentlichen Krankheit den Körper zusätzlich. Thrombozytenkonzentrate können außerdem fehlende Blutplättchen zuführen. Dies ist notwendig, um die Blutungsgefährdung des Patienten zu senken. Allerdings besteht hier die Möglichkeit, dass sich das Immunsystem des Patienten gegen die Spenderzellen sensibilisiert und diese angreift.

Nicht zuletzt schwächen sowohl die Aplastische Anämie selbst als auch deren Behandlung das Immunsystem. Folglich sind Erkrankte enorm anfällig für Infektionen und müssen gegen diese besonders geschützt werden. Eine vorbeugende Maßnahme ist hier die prophylaktische Verabreichung von Breitband-Antibiotika und -Antimykotika, die Bakterien und Pilze in Schach halten sollen. Treten dennoch Infektionen auf, muss schnellstmöglich eine zielgerichtete Behandlung erfolgen, etwa durch die Gabe von speziellen Antibiotika.

Sämtliche supportiven Maßnahmen dämmen dabei lediglich die Symptome der Aplastischen Anämie ein. Sie bekämpfen jedoch nicht die Ursache. Um eine Heilung zu erzielen, stehen den Medizinern zwei verschiedene Behandlungsansätze zur Verfügung: Eine Immunsuppressive Therapie (IST) oder eine allogene hämatopoetische Stammzellentransplantation (HSTZ).

Bei einer IST erfolgt eine Unterdrückung des Immunsystems in der Regel durch die Gabe einer Kombination aus Antithymozytenglobulin und Cyclosporin. Dies soll bewirken, dass die körpereigene Abwehr das blutbildende System nicht länger angreift und sich die Produktion der Blutbestandteile wieder normalisiert. Gelegentlich erfolgt hierbei zusätzlich die Gabe von Wachstumsfaktoren, die die Bildung der Granulozyten stimulieren, um das Risiko von Infektionen zu verringern. Bei der Immunsuppressiven Therapie dauert die Behandlung mindestens sechs Monate und wird zu Beginn stationär durchgeführt. Bessert sich der Zustand des Patienten, ist ein durchgängiger Krankenhausaufenthalt nicht mehr erforderlich. Der Patient kann die Therapie dann zu Hause fortführen, indem er die nötigen Medikamente als Tabletten oder Saft einnimmt. Nach etwa zwei bis vier Monaten haben sich die Blutwerte bei etwa 60 Prozent aller Erkrankten wieder soweit normalisiert, dass keine Bluttransfusionen mehr notwendig sind. Doch nur in etwa der Hälfte der Fälle kommt es zu einer vollständigen Normalisierung des Blutbildes. Des Weiteren besteht bei etwa 30 Prozent der Patienten langfristig das Risiko, dass die Krankheit wiederkehrt oder sich sogenannte klonale Erkrankungen ausbilden, etwa eine akute myeloische Leukämie oder ein myelodysplastisches Syndrom als direkte Folgeerkrankung. Eine Wiederholung einer Immunsuppressiven Therapie ist ebenfalls nicht zu empfehlen. Bringt die IST also nicht den gewünschten Erfolg, muss eine Stammzellentransplantation erfolgen, um das Leben des Patienten zu retten und ihm eine normale Lebenserwartung und Lebensqualität zu ermöglichen. Steht kein geeigneter Spender aus der Familie zu Verfügung, beginnt die aufwändige Suche nach einem kompatiblen Fremdspender.

Bei einer allogenen hämatopoetischen Stammzellentransplantation wird das blutbildende System des Erkrankten quasi einmal komplett „resettet“ und anschließend neu gestartet. Dies erfolgt durch die Gabe gesunder Stammzellen eines Spenders mit identischen HLA-Merkmalen (Humane Leukozyten-Antigene). Die Therapie ist jedoch gefährlich, denn zunächst muss das fehlerhafte blutbildende System des Patienten, darunter auch das Immunsystem, mithilfe einer Chemotherapie vollständig zerstört werden, andernfalls ist die Transplantation der Spenderstammzellen nicht möglich. Sind die Stammzellen transplantiert und in der Stammzellnische angewachsen, bauen sie ein neues, gesundes blutbildendes System auf und sichern so die korrekte, ausreichende Produktion der Blutbestandteile. Als Spender bei einer HSZT sind nahe Verwandte des Patienten, idealerweise Geschwister, die beste Wahl, da diese in der Regel eher HLA-identisch sind. Die statistischen Chancen liegen hierfür bei etwa 25 Prozent. Gerade Kinder können so unter idealen Bedingungen in neun von zehn Fällen geheilt werden. Die Transplantation von Stammzellen eines Fremdspenders ist ebenfalls möglich. Hier liegt die Chance, einen passenden Spender zu finden, jedoch nur bei etwa 1:1.000.000. Des Weiteren ist die Transplantation von Fremdspenderzellen mit weitaus höheren Risiken verbunden und wird daher nur eingesetzt, wenn keine andere Option besteht. Durch mögliche Abweichungen in den HLA-Merkmalen sind hier Abstoßungsreaktionen des Transplantats, etwa die Graft-versus-Host-Disease, viel wahrscheinlicher.