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Poliomyelitis: Post-Polio-Syndrom als Spätfolge der Kinderlähmung

Am 28. Oktober ist Welt-Polio-Tag

Polio beziehungsweise Kinderlähmung kennen junge Deutsche zum Glück nicht mehr. Europa und damit auch Deutschland gelten als poliofrei. Dank der Immunisierung durch die Impfung gegen Kinderlähmung wurde der Erreger hier ausgelöscht. Obwohl die WHO sich mit ihren Partnern bemüht, das Virus weltweit auszurotten, gibt es noch immer Gebiete wie Pakistan und Afghanistan, in denen die Poliomyelitis zum Alltag gehört. Durch die bewaffneten Konflikte in Syrien, Palästina, Afrika aber auch in der Ukraine gab es in jüngster Zeit zudem immer wieder Rückschläge im Kampf gegen die Krankheit.

Die Aufmerksamkeit für die Erkrankung, das Feiern der bisherigen Erfolge aber auch das Bewusstmachen, dass man in den Bemühungen nicht nachlassen darf  – genau dafür gibt es den Welt-Polio-Tag, der seit 1988 alljährlich am 28. Oktober begangen wird. Bei diesem Datum handelt es sich übrigens um den Geburtstag von Prof. Dr. Jonas Edward Salk, der in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts den ersten Polio-Impfstoff entwickelte.

Was ist Polio?

Polio ist die Kurzform des Krankheitsbildes Poliomyelitis, das in Deutschland auch unter dem Namen Kinderlähmung bekannt ist. Es handelt sich dabei um eine von Polioviren verursachte Infektionskrankheit, die Lähmungen hervorrufen kann. Poliomyelitis wird hauptsächlich durch ungenügende Toilettenhygiene, also in der Regel über Kontakt- und Schmierinfektionen, übertragen. Die Inkubationszeit beträgt zwischen drei und 35 Tagen. Bereits kurz nach der Infektion vermehren sich die Viren massenhaft im Darm. Von dort können sie die benachbarten Lymphknoten befallen. Dann verteilt sich das Virus über die Blutbahn im ganzen Körper und kann auch das Zentrale Nervensystem angreifen. Die Folge ist das Auftreten neurologischer Ausfälle. In circa 90 Prozent der Fälle verläuft die Infektion jedoch asymptomatisch, das heißt es gibt keine Krankheitsanzeichen. Allerdings bildet der Infizierte Antikörper aus.

Seinen Namen „Kinderlähmung“ bekam das Krankheitsbild, weil vor allem Kinder zwischen drei und acht Jahren daran erkrankten. Sie starben oder mussten dauerhaft mit körperlichen Folgeschäden leben. Dazu zählten vor allem Lähmungen der Extremitäten- und Rumpfmuskulatur, da das Virus die Motoneuronen schädigt, also jene Nervenzellen, die für die Bewegungssteuerung verantwortlich sind. In schlimmen Verläufen kann auch die Atemmuskulatur betroffen sein – ein Todesurteil vor der Erfindung der Beatmung durch die „Eiserne Lunge“.

Die früheste Darstellung eines Polio-Kranken findet sich auf einer ägyptischen Steintafel, die um 1400 v. Chr. gefertigt wurde und vermutlich einen Priester mit verkümmertem Bein zeigt. Wissenschaftler sehen dies als Beweis an, dass die Poliomyelitis schon lange existiert. Jedoch traten bis weit ins 19. Jahrhundert die Fälle einzeln und regional begrenzt auf. Experten sprechen dann von einem endemischen Verlauf. Epidemien und verheerende Ausbrüche wie bei der Pest oder Cholera gab es weder in der Antike noch im Mittelalter. Das änderte sich erst mit der Industrialisierung. Immer mehr Menschen zogen in die Städte, wo die Fabriken existierten. Durch die sich langsam verbessernde Hygiene ließ die (Schmutz-)Autoimmunisierung nach und öffnete so paradoxerweise der Krankheit Tür und Tor.

Die Poliomyelitis trat Ende des 19. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts epidemisch auf – meist in Wellen mit einem Abstand von fünf bis sechs Jahren. Sie betraf jährlich tausende Menschen weltweit. Allein bei der großen Polio-Epidemie 1952 erkrankten in Deutschland mehr als 9.500 Menschen. Über 770 Menschen kostete die Infektion das Leben und rund 6.600 blieben dauerhaft gelähmt. Bekannte Polio-Patienten waren beispielsweise der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt, die Schwedin Aina Wifalk, die Erfinderin des Rollators, oder die deutsche Unternehmerin Margarete Steiff, die Mutter des Steiff-Teddybären.

Polio besiegt, aber das Post-Polio-Syndrom bleibt

Seit Mitte der 50er-Jahre steht der von Jonas Salk entwickelte Polio-Impfstoff zur Verfügung. Mit konsequenten Impfmaßnahmen konnte die Poliomyelitis in den 60er-Jahren erfolgreich zurückgedrängt werden, so dass die WHO in den 80er-Jahren den Plan fasste, Polio auf der Welt genauso auszurotten wie beispielsweise die Pocken. Die Umsetzung des Vorhabens erleichtert ein weiterentwickelter Impfstoff: Eine simple Schluckimpfung gegen die Kinderlähmung lässt sich auch in der Dritten Welt einfacher durchführen und wird allgemein eher akzeptiert als die Impfung per Spritze.

Gelenkschmerzen, Kälteintoleranz, ständige Müdigkeit sowie Muskelschwäche und Muskelschwund sind die Symptome des Post-Polio-Syndroms, das Jahrzehnte nach einer Polio-Infektion auftreten kann. Es handelt sich dabei um einen Burnout der verbliebenen Nervenzellen.

Doch auch wenn die Kinderlähmung auf dem Rückzug ist, gibt es weltweit noch immer Millionen Betroffene, die mit den Spätfolgen der Infektion kämpfen. Allein in Deutschland leben über 50.000 Menschen, die an den Folgen der Poliomyelitis leiden. Hinzu kommen geschätzte 80.000 Menschen, bei denen sich das Post-Polio-Syndrom, kurz PPS, manifestiert hat. Als Spätfolge der Krankheit treten hier 20 bis 50 Jahre nach der Infektion Gelenkschmerzen, Kälteintoleranz, ständige Müdigkeit, Muskelschwäche und Muskelschwund auf. Die Ursache dafür erklären Experten verkürzt so: Während der Infektion mit Kinderlähmung im Kindesalter ging eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Nervenzellen zugrunde. Die verbliebenen Nervenzellen konnten allerdings die Aufgaben der kaputten übernehmen und kompensieren, so dass zunächst keine Einschränkungen zurückblieben. Allerdings wurden die Nervenzellen im Laufe des Lebens permanent überlastet. Beim Post-Polio-Syndrom handelt es sich quasi um einen Burnout der verbliebenen Nervenzellen. Sie stellen aufgrund andauernder Überanstrengung am Ende doch die Arbeit ein, so dass es zu den beschriebenen Symptomen kommt.

Das Post-Polio-Syndrom ist derzeit nicht heilbar. Es kann aber durch Stützung und Entlastung des Bewegungsapparates spürbar gelindert werden. Doch dazu ist eine genaue Diagnose erforderlich, in deren Rahmen neben einer Blutanalyse auch die Muskelkraft und die Nervenleitfähigkeit gemessen werden.

Stammzellenforschung – damit Gelähmte wieder gehen können

Experten sind optimistisch, dass die Medizin der Zukunft neue Therapieoptionen bietet. Mit Hilfe von Stammzellen, den sogenannten Wunderzellen, könnten kaputte Nervenzellen regeneriert werden. Daran, dass Gelähmte wieder gehen können, forschen Wissenschaftler weltweit. Die jüngsten Meldungen kommen aus den USA und stimmen hoffnungsvoll. An der University of California (USA) möchten Forscher mithilfe der Stammzellen Nervenschäden im Rückenmark beheben. Die Forscher züchten dafür im Labor Vorläuferzellen aus Stammzellen heran. Laborstudien belegen, dass diese Vorläuferzellen Botenstoffe aussenden und so die Blutversorgung der Nerven aber auch das Nervenwachstum selbst anregen. Außerdem fördern sie die Regeneration der Myelinhülle um die Nervenfasern. Somit ließe sich womöglich das Neuwachsen, das Überleben und die Leitfähigkeit der verletzten Nerven im Rückenmark positiv stimulieren. Das Verfahren wird nun in einer ersten Studie in den USA getestet.

Über den allerersten Patienten können die Forscher bereits Positives berichten. Es handelt sich dabei um einen jungen Mann, der Anfang März diesen Jahres einen schweren Autounfall erlitt. Dabei kam es zu Verletzungen der Halswirbelsäule und des Rückenmarks, die für eine vollständige Lähmung vom Hals abwärts verantwortlich waren. Anfang April erfolgte die Operation der verletzten Wirbelsäule, bei der nicht nur die Wirbel und damit das Rückenmark stabilisiert wurden. Die Forscher injizierten zehn Millionen der Vorläuferzellen in den Rückenmarkskanal. Zwei Wochen nach der Behandlung mit Stammzellen gab es erste Anzeichen für eine Besserung. Der Patient bekam langsam wieder Gefühl in den Händen und konnte nach und nach immer besser die Arme kontrollieren und bewegen.

90 Tage nach der Behandlung hat der junge Patient auch aufgrund der Reha-Maßnahmen erstaunliche Fortschritte gemacht: Er kann seine Hände benutzen und damit Zähne putzen, den Computer bedienen oder ein Getränk greifen. Da die Rehabilitation des jungen Mannes noch nicht abgeschlossen ist, lässt sich auch noch nicht prognostizieren, wie stark sich sein Zustand am Ende verbessern wird.

Noch ist es viel zu früh für konkrete Schlussfolgerungen. Aus einem solchen Einzelfall kann die Wirksamkeit der Stammzellentherapie nicht abgeleitet werden. Doch die Studie läuft weiter und mehr Patienten werden eine Behandlung erhalten. Man darf also gespannt sein, wenn die ersten Ergebnisse für eine komplette Patientengruppe veröffentlicht werden. Die Erkenntnisse dürften nicht nur für Querschnittsgelähmte, sondern beispielsweise auch für Patienten mit Post-Polio-Syndrom oder Neuropathie interessant sein.

Für die Zukunft: Mit Vita 34 die Vorteile der Nabelschnurblut-Stammzellen nutzen

Experten sind sich sicher, dass Stammzellen in der Zukunft bei der Regenerativen Medizin und dem Tissue Engineering eine wichtige Rolle spielen werden. Besonders prädestiniert für einen Einsatz sind dabei die jungen und vitalen Stammzellen aus der Nabelschnur, da sie unbelastet, teilungsfreudig und besonders anpassungsfähig sind. Von daher setzt sich Vita 34 seit Jahren dafür ein, dass alle Neugeborenen durch die Nabelschnurblut-Einlagerung die Chance auf ein eigenes Stammzelldepot bekommen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die kryokonservierten Stammzellen altern im Kälteschlaf nicht und stehen ein Leben lang für individuelle Therapieoptionen zur Verfügung. Im Fall der Fälle können sie möglicherweise auch Geschwistern und Eltern helfen. Schließlich stehen die Chancen, innerhalb der Familie einen geeigneten Stammzellenspender zu finden, laut Statistik bei etwa 30 Prozent. Daher können die Stammzellen aus der Nabelschnur zu recht als Wunderzellen bezeichnet werden.