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Strahlenschäden und Nabelschnurblut

Täglich versetzen uns immer neue Schreckensmeldungen von den außer Kontrolle geratenen Atomreaktoren im japanischen Fukushima in Unruhe. Radioaktivität kann man im Gegensatz zu den Verwüstungen durch Erdbeben und Tsunamis weder sehen noch fühlen. Doch jeder weiß: Radioaktivität ist gefährlich und bedroht die Gesundheit.

Obwohl das Risiko unserer Kernkraftwerke als sehr gering eingeschätzt wird, machen sich auch viele Eltern in Deutschland Gedanken über mögliche Gesundheitsgefährdungen nach einem Atomunfall. In den letzten Tagen erhielt ich als ärztlicher Leiter von Vita 34 zahlreiche Anfragen besorgter Eltern zu diesem Thema. Deswegen möchte ich hier ein Antworten auf die häufigsten Fragen geben.

Was bedeutet Verstrahlung für den Menschen?

Radioaktive Strahlen schädigen in erster Linie Zellen, die sich schnell teilen. Besonders betroffen sind die Haarwurzelzellen (Haarausfall), die Schleimhäute (Durchfall, Blutungen) und das Knochenmark als Ort der Blutbildung. Ist letzteres schwer geschädigt, brechen die Blutbildung und die Immunabwehr zusammen. Das Leben ist unmittelbar bedroht. Darüber hinaus können Langzeitschäden auftreten.

Kann man Verstrahlung heilen?

Es hat bereits Versuche gegeben, einzelne Opfer von Strahlenunfällen durch die Transplantation blutbildender Knochenmark-Stammzellen eines nicht verstrahlten Spenders zu retten. Die Erfolgsrate war aus zwei Gründen gering: Die Suche nach einem passenden Stammzellspender dauert mit Wochen bis Monaten oft zu lang und es treten Abstoßungsreaktionen auf.

Die hochkomplexe und technisch anfällige Infrastruktur für die Transplantation fremder Stammzellen stünde jedoch bei einem atomaren Massenunfall nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Die Infusion eigener unverstrahlter Stammzellen wäre hingegen sogar ambulant außerhalb von Knochenmarktransplantationseinheiten denkbar.

Es gibt heute nur eine einzige Quelle für eigene, unverstrahlte Stammzellen: Das eigene Nabelschnurblut, das zur Geburt eingelagert wurde. In Europa verfügen gegenwärtig etwa 350.000 Kinder über diese wertvolle Stammzellreserve.

Könnten die eigenen Nabelschnurblut-Stammzellen im Falle einer Verstrahlung helfen?

Grundsätzlich ja. Es steht sofort zur Verfügung, kann schnell zum behandelnden Arzt transportiert werden und ist sicher, weil es keine Abstoßungsreaktionen hervorruft. Befindet sich die Nabelschnurblutbank – wie im Falle von Vita 34 – weitab von der Strahlenquelle, bleiben die Stammzellen im doppelt ummantelten Stahltank völlig intakt.

Wie ist das Nabelschnurblut vor Verstrahlung geschützt?

Vor hohen Strahlendosen im Falle einer schweren Havarie in einem Kernkraftwerk kann nur ein ausreichender Sicherheitsabstand schützen. Unsere Stammzell-Tanks in Leipzig trennen rund 250 Kilometer Luftlinie vom nächstgelegenen deutschen Kernkraftwerk in Grafenrheinfeld (siehe ZEIT online > OpenData > Atomreaktoren). Im Vergleich zur 30 km-Evakuierungszone um Fukushima ist das ein relativ großer Abstand. Ich hoffe, wie Sie alle, dass nie ein Umstand eintreten möge, der uns zwingt, das Nabelschnurblut unserer Kinder auf diese Weise einsetzen zu müssen.

(Dr. Eberhard Lampeter)