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Kein Lakritz in der Schwangerschaft

Normalerweise kann kaum jemand Süßigkeiten widerstehen. Bei Lakritz ist das anders. Lakritz gibt es, ähnlich wie Popcorn, als süße (Süßlakritz) oder als salzige Variante (Salzlakritz). Es ist also das Ying & Yang unter den Naschereien.

Aber egal, ob süß oder salzig: Es gibt entweder totale Lakritz-Liebhaber oder absolute Lakritz-Hasser. Irgendetwas zwischen diesen beiden extremen Polen lässt sich kaum finden. Frauen, die Lakritz besonders mögen, bekommen in der Schwangerschaft ein Problem, denn das Wurzelextrakt des echten Süßholzes sollte „in anderen Umständen“ besser komplett aus dem Speiseplan gestrichen werden. Dem Nachwuchs drohen sonst im späteren Leben Entwicklungsstörungen.

Lakritz in der Schwangerschaft? Besser nicht!

Schon länger gilt für Schwangere die Empfehlung, auf Lakritz in der Schwangerschaft besser zu verzichten. Dieser Rat wurde nun von finnischen Forschern in einer Studie nochmals bestätigt. Der schwarze „Bärendreck“, wie die Leckerei oftmals umgangssprachlich bezeichnet wird, steht unter Verdacht, die kognitiven Fähigkeiten des Nachwuchses negativ zu beeinflussen.

Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler der Universität Helsinki 380 Kinder im Alter von zwölf Jahren. Während der Schwangerschaft hatten ihre Mütter Lakritz in unterschiedlichen Mengen konsumiert und damit auch den Stoff Glycyrrhizin aufgenommen. Glycyrrhizin ist einer der Hauptinhaltsstoffe der Lakritze und kann bei übermäßigem Verzehr zu Bluthochdruck, Kopfschmerzen und Ödemen führen, denn er greift in den Mineralocorticoidstoffwechsel ein und bringt den Elektrolythaushalt des Körpers durcheinander, indem insbesondere zu viel Kalium verloren geht.

Kinder von Lakritz-Liebhaberinnen schnitten in kognitiven Tests schlechter ab

Die finnischen Forscher teilten die Studienteilnehmer in zwei Gruppen ein: Bei „Gruppe 1“ hatten die Mütter in der Schwangerschaft gar keine bis relativ wenig Lakritze gegessen. Im Schnitt nahmen sie rund 47 Milligramm Glycyrrhizin pro Woche zu sich. Die Mütter bei „Gruppe 2“ zählten dagegen zu den Lakritz-Liebhabern und hatten während der Schwangerschaft deswegen relativ viel Lakritz konsumiert. Bei ihnen lag der Durchschnittswert bei 845 Milligramm Glycyrrhizin pro Woche. Für die Einordnung der Werte ist es wichtig zu wissen, dass 250 Gramm Lakritze in etwa 500 Milligramm Glycyrrhizin enthalten.

In kognitiven Tests schnitten die Kinder aus der Gruppe 2, also der Nachwuchs der Lakritz-Liebhaberinnen, deutlich schlechter ab als die Kinder aus Gruppe 1. In Gruppe 2 lag der Intelligenzquotient im Mittelwert um sieben Punkte niedriger als bei Gruppe 1. Die Kinder verfügten außerdem über ein schlechteres Gedächtnis. Dafür hatten sie ein dreimal höheres Risiko, eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung zu entwickeln – gemeinhin als ADHS bekannt. Die untersuchten Mädchen aus Gruppe 2 kamen darüber hinaus früher in die Pubertät als die Mädchen aus Gruppe 1.

Statistik-Fakt: Die Niederländer sind weltweit mit Abstand die größten Lakritz-Fans. Sie haben einen Verbrauch von 2 kg Lakritze pro Person und Jahr. In Deutschland liegt der Lakritz-Verbrauch im Schnitt bei 200 Gramm pro Person und Jahr, wobei der Norden die Nascherei mehr liebt als der Süden.

Befürchtung: Lakritz in der Schwangerschaft verursacht eine Störung der Hirnaktivität

Frühere Studien hatten bei Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft viel Lakritz aßen, eine erhöhte Cortisol-Menge festgestellt. Diese Beobachtung konnte in der aktuellen Studie nicht bestätigt werden. Cortisol wird häufig auch als „Stresshormon“ bezeichnet. In beiden Gruppen war das Level jedoch in etwa gleich hoch.

Die finnischen Forscher vermuten, dass die Kinder der Lakritz-Liebhaberinnen an einer Störung der Hirnaktivität leiden könnten. Hierbei spielt der Hippocampus eine wichtige Rolle. Er reagiert sehr sensibel auf Veränderungen im Glukokortikoidhaushalt, wie andere Studien bereits bewiesen haben. Isst die werdende Mutter während der Schwangerschaft viel Lakritz, könnte der Fötus im Mutterleib mit Glukokortikoiden überversorgt werden. Das in der Lakritze enthaltene Glycyrrhizin hemmt im mütterlichen Blut ein Enzym, das an der Verstoffwechslung von aktivem Kortisol in inaktives Kortison beteiligt ist.

Die Daten aus Finnland belegen noch einmal mehr, warum es so wichtig ist, dass Hebammen und Gynäkologen genügend Zeit haben müssen, Schwangere ausführlich und umfassend zu beraten – nicht nur in puncto Ernährung, sondern auch in vielen anderen Dingen, wie beispielsweise den Pro- und Contras der Nabelschnurblut-Einlagerung. Glycyrrhizin ist nur einer von vielen Stoffen, denen der Fötus während der Schwangerschaft ausgesetzt ist. Und obwohl Lakritz als Lebensmittel zugelassen und damit eigentlich als unbedenklich eingestuft ist, kann es in der Schwangerschaft die Weichen für das spätere Leben des Nachwuchses mitbestimmen. Egal wie groß der Heißhunger auf Lakritz während der Schwangerschaft auch ist, werdende Mütter sollten die Finger davonlassen.