Basiswissen

Stammzellen aus der Nabelschnur

Wichtige Basisinformationen und den aktuellen Stand der Wissenschaft zum Thema "Nabelschnurblut" hat das Vita 34-Team für alle Interessierten zusammengefasst.

Basisinformationen und Stand der Wissenschaft

Nabelschnurblut – ein verkanntes Organ

Ja, Nabelschnurblut ist ein Organ1

Und ja, Nabelschnurblut ist verkannt. Schließlich wird es in der Mehrzahl aller Geburten verworfen – zusammen mit der Nabelschnur, einem weiteren verkannten Organ.

Dabei ist vor allem das Nabelschnurblut eine längst anerkannte und therapeutisch-relevant Zellquelle2. Therapeutisch-relevant für das Neugeborene, denn: Nabelschnurblut ist fötales Blut. Aufgrund der Anatomie der Plazenta ist es nicht mit dem Blut der Mutter vermischt3. Die Zusammensetzung von Nabelschnurblut und mütterlichem Blut ist prozentual ähnlich4. Im absoluten Vergleich enthält Nabelschnurblut allerdings höhere Konzentrationen von Immunzellen wie Monozyten, Granulozyten sowie B- und T-Lymphozyten.

Wie Nabelschnurblut zum Arzneimittel wird

Die Entnahme von Nabelschnurblut ist für Mutter und Kind schmerzfrei und daher ethisch unbedenklich. Die Gewinnung von Nabelschnurblut erfolgt ausschließlich nach der Abnabelung des Neugeborenen. Dazu wird die Nabelschnur mit einer Kanüle punktiert und das Nabelschnurblut über ein steriles Entnahmesystem in einem Blutbeutel gesammelt. Der Blutbeutel enthält ein Antikoagulans (z. B. Citrat), welche die Gerinnung des Nabelschnurblutes hemmt. Die Vermischung des Nabelschnurblutes mit dem Antikoagulans stellt den Beginn der Arzneimittelherstellung dar. Aufgrund dieser Einordnung wird die Nabelschnurblutbank rechtlich gesehen zum Arzneimittelhersteller – eine Erlaubnis zur Herstellung und eine Genehmigung/Zulassung zur Abgabe des Arzneimittels werden zwingend erforderlich5-7.

Diese werden durch die Landesbehörden und das Paul-Ehrlich-Institut erteilt und sind an einen definierten Herstellungsprozess sowie eine feste Indikation gebunden6,8. Dabei ist es völlig unerheblich, ob das Nabelschnurblut für eine autologe oder allogene Anwendung in einer „kommerziellen“ oder einer „nichtkommerziellen“ Nabelschnurblutbank lagert. Die Herstellungserlaubnisse und die daran gebundenen Qualitätsanforderungen gelten auch für die Kliniken, in denen die Entnahme von Nabelschnurblut durchgeführt wird. Der eigentliche Hersteller – die Nabelschnurblutbank – ist deshalb auch für die adäquate Schulung der Klinikteams verantwortlich9.

Nabelschnurblut enthält therapeutisch relevante Zellen

Neben den normalen Blutbestandteilen enthält Nabelschnurblut bestimmte Zellarten oder Zellfraktionen mit therapeutischem Potenzial. Dazu zählen hämatopoetische Stammzellen, mesenchymale Stammzellen oder mononukleare Zellen10.

Hämatopoetische Stammzellen

Eine besondere Stellung nehmen dabei die hämatopoetische Stammzellen (Blutstammzellen, HSCs) ein. Durch Teilung und Bildung verschiedener Vorläuferzellen tragen HSCs dazu bei, dass jederzeit alle Zellen des Blutes nach Ablauf ihrer natürlichen Lebensdauern neu gebildet werden können – und das ein Leben lang11. Dabei variiert die Lebensspanne der verschiedenen Blutzellarten stark. Während beispielsweise die verschiedenen Granulozyten-Arten nach nur wenigen Tagen sterben12-15, überleben Erythrozyten bis zu 120 Tage16,17. Bestimmte Zelltypen des Immungedächtnisses, wie „memory“-B-Zellen, überdauern sogar mehrere Jahrzehnte18. Indem HSCs absterbenden Blutzellen ersetzen, tragen sie indirekt zur Aufrechterhaltung lebenswichtiger Funktionen wie der angeborenen oder erworbenen Immunabwehr sowie dem Sauerstofftransport bei. HSCs sind zudem in hoher Anzahl im Nabelschnurblut enthalten19.

Mesenchymale Stammzellen

Mesenchymale Stammzellen (MSCs) sind in verhältnismäßig geringer Zahl im Nabelschnurblut enthalten19. MSCs sind Vorläuferzellen mit hohem Vermehrungspotenzial. Sie sind chemotaktisch und bewegen sich entlang von Zytokin-Gradienten zu beschädigten Körpergeweben. Dort stoßen sie Regenerationsprozesse an, meist indem sie die Teilung noch vorhandener gesunder Zellen stimulieren20. MSCs besitzen außerdem die Fähigkeit sich unter bestimmten Bedingungen in Knochenzellen, Knorpelzellen, Fettzellen oder Nervenzellen zu differenzieren10,21. Zudem können Sie Immunreaktionen modulieren22.

Mononukleare Zellen

Mononukleare Zellen (MNC) bilden die Gesamtheit aller kernhaltigen Zellen des Nabelschnurblutes und werden durch Dichtegradientenzentrifugation gewonnen10. Sie enthalten neben HCSs und MSCs auch T-lymphozyten oder natürliche Killerzellen (NK-Zellen)10. Den verschiedenen Zellpopulationen werden dabei unterschiedliche Wirkeffekte zugesprochen 10. So schwächen beispielsweise T-Lymphozyten Immun- und Entzündungsreaktionen ab, indem sie verschiedene Signalproteine freisetzen. In Tiermodellen wirken sie so beispielsweise nach einem Schlaganfall neuroprotektiv23,24. NK-Zellen wiederum erkennen infizierte oder entartete Zellen. Als Teil der angeborenen Immunabwehr sind sie fähig ohne vorherige Aktivierung beispielsweise verschiedene maligne Zellen gezielt zu eliminieren25.

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