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Künstliche Haut aus Stammzellen im Labor gezüchtet

Im Märchen „Der Wolf und die sieben Geißlein“ der Gebrüder Grimm warnt die Mutter ihre Jungen vor dem bösen Wolf und davor, dass er sie „mit Haut und Haaren“ fressen würde, wenn sie nicht aufpassten. Mittlerweile hat es dieser Ausdruck aus dem Märchen zum geflügelten Wort geschafft und ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Spiegelt sie doch auch die immense Bedeutung der Haut und der Haare wieder. Bei Stammzellforschern jedoch sorgte der Anspruch „Haut samt Haaren“ bislang für schlaflose Nächte. Das Züchten von vollfunktionsfähiger Haut mit allen zugehörigen Komponenten erwies sich als sehr komplex. Nun aber gelang im Modell endlich der Durchbruch.

Forscher können mittlerweile viele Gewebe und Organe im Labor aus Stammzellen nachzüchten. Sie verwenden dafür meist ein Verfahren, bei dem adulte Hautzellen in quasi-embryonale Stammzellen, sogenannte induzierte, pluripotente Stammzellen (IPS), zurückverwandelt werden. Diese IPS-Zellen haben die Fähigkeit, sich in beinahe jeden der über 200 verschiedenen Zelltypen des Körpers auszudifferenzieren. Damit ist der Traum des Tissue Engineerings, kranke Organe komplett durch im Labor gezüchtete Organe zu ersetzen, längst keine ferne Science Fiction mehr. Zu den bislang gezüchteten Geweben zählen unter anderem Muskelfasern wie der Meniskus, Mini-Herzen und sogar Vorformen des Gehirns. Aber ein Gewebetyp erwies sich als besonders schwerer Fall: Die Haut.

 

Die Haut ist nicht nur das größte Organ des Menschen, sondern auch ein sehr komplexes

Ein Grund dafür ist der sehr komplexe Aufbau der Haut. Sie besteht aus mehreren Hautschichten: der Epidermis (Oberhaut), der Dermis (Lederhaut) sowie der Subcutis (Unterhaut) und enthält darüber hinaus Haarfollikel, Schweißdrüsen, Nerven und Blutgefäße. Die Haut übernimmt damit eine wichtige Schutzfunktion, indem sie den Organismus nach außen vor der Umwelt abschirmt und so eine Barriere für Pilze, Viren und Bakterien bildet. Dank unzähliger Rezeptoren und Nervenzellen werden wichtige Reize über die Haut an das Gehirn gesendet. Über das Warm-Kalt-Empfinden hilft die Haut beispielsweise bei der Regulation des Wärmehaushaltes. Ist uns warm, wird Schweiß produziert. Er sorgt durch Verdunstung für Kühlung. Ist uns kalt, richten sich die kleinen Härchen auf. Wir kennen das als Gänsehaut.

Neue Haut aus dem Labor muss all diese Funktionen erfüllen, um bei großflächigen Wunden, wie sie z. B. nach schweren Verbrennungen und Verätzungen entstehen, zum Einsatz kommen zu können. Bislang bekamen Verbrennungsopfer meist ihre eigene Haut entnommen, gedehnt und transplantiert, weil perfekte, künstliche Haut nicht zur Verfügung stand. Doch die Möglichkeiten der Eigenhaut-Transplantation waren bei großflächigen Verbrennungen sehr schnell erschöpft. (Vita 34 hat darüber bereits im Beitrag „Tag des brandverletzten Kindes: Messer, Schere, Feuer, Licht – sind für kleine Kinder nicht!“ berichtet.) Mit dem Durchbruch bei der Züchtung künstlicher Haut aus Stammzellen steht ein wichtiger, neuer Therapiebaustein zur Verfügung.

 

Voll funktionsfähige, künstliche Haut mit Haarfollikeln, Blutgefäßen und Nerven gezüchtet

Der Meilenstein in der Stammzellenforschung gelang nun an der Universität in Tokio. Aus Zahnfleischzellen von Mäusen schufen die japanischen Forscher zunächst die bereits erwähnten induzierten, pluripotenten Stammzellen. Diese kultivierten sie weiter bis Zellklumpen aus verschiedenen Gewebetypen entstanden. Im nächsten Schritt wurde ein Wachstumfaktor (Wnt10b) hinzugefügt. Er sorgt dafür, dass die Stammzellen sich differenzieren und ausreifen. Die Gewebeklumpen wurden im Anschluss Mäusen mit deaktiviertem Immunsystem unter die Haut gepflanzt. In der natürlichen Umgebung der Zellen entwickelte sich das eingepflanzte Gewebe zu Hautgewebe. Die neue Haut enthielt sogar Haarfollikel, die normal wachsende Haare produzierten.

Danach machten die Forscher die Probe aufs Exempel. Um zu sehen, ob die neue, künstliche Haut lebensfähig und transplantierbar ist, wurden kleine Hautstücke mit jeweils zehn bis 20 Follikeln verpflanzt. Das Experiment war erfolgreich. Die künstliche Haut wuchs nicht nur an, es bildeten sich auch Blutgefäße und Nerven in den tieferen Gewebeschichten. Die Folge: Auf den transplantierten Hautstücken wuchsen Haare, die sich sogar wie beim normalen Fell aufstellen konnten. Und noch eine positive Nachricht können die japanischen Forscher vermelden: Selbst drei Monate nach der Implantation der künstlichen Haut konnten weder Tumore noch andere Wucherungen nachgewiesen werden.

 

Künstliche Haut hilft nicht nur Verbrennungsopfern, sondern verhindert das Leid der Tiere bei Kosmetikversuchen

Der Technik zur Züchtung von künstlicher Haut wird ein großes Potenzial vorhergesagt. Die Fortschritte in der Grundlagenforschung geben Patienten mit Verbrennungen und entstellenden Narben Hoffnung. Schon bald könnte eine adäquate Stammzellentherapie beim Menschen zur Verfügung stehen. Auch die Kosmetikindustrie zeigt sich interessiert, denn nun können Kosmetiktests ohne Tierversuche an der künstlich gezüchteten Haut erfolgen.

Für alle Menschen, die unter Haarausfall leiden oder mit ihrer Glatze hadern, birgt die Studie ebenfalls gute Nachrichten. Die Wissenschaftler entdeckten nämlich, dass sie über die Dosierung des Wachstumsfaktors Wnt10b steuern können, wie viele Haarfollikel in den gezüchteten Hautstücken entstehen. Damit könnte selbst Haarausfall bald der Vergangenheit angehören bzw. stünde die Technik für die Transplantation künstlicher Haare bereit.

 

Künstliche Haut wird Menschenleben retten, Opfern mit entstellenden Narben ein großes Stück Lebensqualität zurückgeben und das Leid von Tieren verhindern, weil die Kosmetikindustrie auf Tierversuche verzichten kann.

Der Stammzellentherapie gehört die Zukunft – Vita 34 gestaltet sie mit

Die Abdeckung großflächiger Brandwunden mit künstlicher Haut wird Menschenleben retten. Patienten mit furchtbaren Narben können die Ärzte ein großes Stück Lebensqualität zurückgeben. Und all jenen, deren Selbstbewusstsein wegen des Haarausfalls leidet, kann ebenfalls geholfen werden – dank der Stammzellenforschung. Vita 34 engagiert sich seit Jahren in diesem Bereich. Unsere eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung kooperiert mit namhaften Forschungseinrichtungen – nicht nur national, sondern auch international. Wir treiben die Entwicklungen sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der konkreten Anwendungsforschung voran. Unter anderem dafür sind wir in diesem Jahr im Rahmen des Innovationswettbewerbes TOP 100 erstmalig als TOP-Innovator des deutschen Mittelstands ausgezeichnet worden. Alle Vita 34-Experten sind überzeugt, dass der Stammzellentherapie die Zukunft gehört und daher heute jedes Kind zur gesundheitlichen Vorsorge die Chance auf ein eigenes Stammzelldepot aus Nabelschnurblut oder Nabelschnurgewebe haben sollte.